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Wabi-Sabi

Wabi-Sabi? Ein Deutungsversuch

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass der Durchschnittseuropäer seine Schwierigkeiten hat, mit der japanischen Kultur „warm zu werden“. Denken wir an Japan, so springen uns Bilder von überfüllten U-Bahn-Wagons, Winke-Katzen und tai-chienden Rentnerinnen vor das innere Auge. Die japanische Kultur hat neben den überzeichneten Allgemeinplätzen eine atemberaubende Tiefe. In der Kunst, schön zu leben und zu wohnen, finden sich Rückbezüge auf ein spannendes und manchmal anachronistisch anmutendes Kulturverständnis. 

Japan boomt. Im Augenblick sind minimalistische Accessoires von der Insel im Japanischen Meer seit Jahren Dauerbrenner in Sachen lifestyle&trend, so erlebt die Verbindung aus Kunst, Kultur, Philosophie und Einrichtung gerade einen zweiten Frühling. Nachdem sich das chinesische Pendant Feng-Shui über die Jahre in unserem Sprach- und Einrichtungsgebaren niedergelassen hat, betritt mit Wabi-Sabi ein neuer Spieler den Tisch. 

Wabi-Sabi (侘寂) ist ein urjapanisches Konzept, Schönheit zu begreifen. Das ästhetische Konzept ist eng mit den Ideen des Zen-Buddhismus verwurzelt und gibt uns tiefe Einblicke in die kulturelle Wahrnehmung des Landes. Wabi-Sabi ist ein Mischwort aus dem japanischen Wort für einsam sein (Wabi) und über Reife verfügen (Sabi). Die entstehende Wortkombination gilt an sich, als nicht zu übersetzend. Umschrieben steht Wabi-Sabi für das Streben nach der verborgenen Schönheit. Wer nach der alten Lehre lebt, erkennt, dass wahre Schönheit nicht offenkundig sein muss. Vielmehr ist sie versteckt, verhüllt und verborgen. 

Die unsterblichen Worte aus dem „kleinen Prinzen“ (Antoine de Saint-Exupéry) machen uns die Idee hinter Wabi-Sabi verständlich: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“  Wabi-Sabi findet für diese Worte einen anderen Ausdruck, doch steht der Gedanke der wesentlichen Schönheit fest im Mittelpunkt dieses romantischen Schönheitsideals. Wabi-Sabi ist ähnlich wie das skandinavische Hygge kein Einrichtungstrend, es ist vielmehr eine waschechte Lebens- und somit auch Einrichtungskunst! 


Leben und Wohnen nach Wabi-Sabi

Wir müssen weder die alten Schriften den Zen-Buddhismus studieren, noch müssen wir als Einsiedler ins ferne Japan ziehen, um eine Messerspitze Wabi-Sabi in unser Leben und unser Zuhause zu bringen. Es sind einige kurze Lektionen und Ideen, die unser Leben im wahrsten Wortsinn einfacher und glücklicher machen:
 

Die fünf Ideen des Wabi-Sabi


•    Raum braucht Raum, um zu atmen. Leere ist ein Luxus, der nichts kostet. 
•    Das Wesentliche steht im Mittelpunkt. Es ist die echte Art eines jeden Dinges. 
•    Lebe einfach, wohne einfach, lebe natürlich. 
•    Der Verzicht auf das Unwichtige ist die größte Form des Glücks. 
•    Schätze deine Schätze – trage deine altgediegenen Begleiter im Herzen 

Der ein oder andere Gedanke hinter diesen „freien“ Regeln erscheint uns vertraut. In der europäischen Form des Minimalismus herrscht eine ähnliche Wahrnehmung von Schönheit. Wabi-Sabi greift einen Schritt weiter. Gibt es uns doch eine Möglichkeit, nicht nur schön zu wohnen, sondern auch schön zu leben. 
Wabi-Sabi
Die Umsetzung der Grundsätze der japanischen „Schönheitsschau“ ist einfacher als gedacht. Der Gedanke des „weniger ist mehr“ erscheint uns, auch im heimischen Europa, vertraut. Unsere Wohnung, unser Haus, unser Lebensraum muss nicht aus allen optischen Nähten platzen. Wir müssen nicht auf einem Meer aus Tagesdecken und Accessoires surfen oder Regalmeter um Regalmeter Bücher in unserem Wohnzimmerschrank ausstellen. Das Wesentliche, das Einfache, das Liebgewonnene steht im Mittelpunkt. 
Wabi-Sabi
Beschränken wir uns einfach auf das Einfache! Schätzen wir die Dinge, die uns wichtig sind. Und lassen wir den überkandidelten Tand einfach außen vor. Der Verzicht auf Dinge, die wir nicht brauchen, ist kein Verlust! Der Verzicht ist eine Befreiung. Keine Sorge, es geht nicht darum, als armer Bettelmönch übers Land zu ziehen. So dramatisch müssen wir Wabi-Sabi nicht verstehen. Vielmehr sollten wir das, was wir besitzen, in Ehren halten, hegen und pflegen. Es muss nicht immer die Tagesdecke in der Farbe der Saison sein, es reicht auch unsere alte Kuscheldecke, die uns seit Jahren in rauen Winternächten wärmt! 
 
Wabi-Sabi

Zartes Fühlen – Oberflächen in Wabi-Sabi

Die Oberfläche ist im Wabi-Sabi etwas besonders. Man sieht den Dingen das Wesentliche nicht an, aber wir fühlen es mit unseren Händen. Beispiel gefällig: die etwas raue „Haut“ unserer in die Jahre gekommenen Lieblingstasse, die leichten Sprünge, der abgeplatze Rand und die Patina am Griff sind die Summe all unserer Kaffee-Gespräche mit guten Freunden. Über die Oberfläche erhalten wir Zugang zum Wesentlichen. Wir sollten mehr fühlen und weniger sehen! Egal, ob es nun um die Tagesdecke, unsere Vorhänge, die Bettwäsche oder unsere Tischdecke geht – das Gefühl steht im Mittelpunkt. Was gut ist, fühlt sich gut an. Lieber nur ein Stück von etwas besitzen, dieses aber von hervorragender Qualität! Lieber feines Leinen auf unserer Haut als billigen Kunststoff. Lieber echtes Leder, das unseren Händen schmeichelt, als unnatürliches Plastik. Lieber die lebendigen Poren eines Massivholztisches genießen, erkunden, erleben, als die perfekte Oberfläche aus Kunststoff. 
 

Der Kirschgarten – japanische Farbornamente 

 
Auch wenn Wabi-Sabi viel von Haptik und Material lebt, die Farben werden auf keinen Fall stiefmütterlich verwendet. Helle Weißtöne, liebliches Grau und die gesamte Farbpalette von lockeren Pastelltönen bringen eine betörende Harmonie in unser Leben. Die Vorteile dieser Farben sind offensichtlich. Erstens schaffen Sie Ruhe und bringen einen aufgeräumten und klaren Look in unsere Lieblingsräume und zweitens lassen sich unaufgeregt Töne stilvoll und sicher miteinander kombinieren. Wer kläglich am Versuch, einen magentafarbenen Print in einer gelbdominierten Einrichtung unterzubringen, scheiterte, weiß über die Kombinationsfähigkeit kräftiger Farben. 
Auch beim Thema Farbverwendung steht Ruhe und Geborgenheit im Mittelpunkt. Warum sollten wir eine Wand in einem kräftigen Orangeton streichen, warum ein dramatisches Grün oder ein leuchtendes Rot für unser Sideboard wählen. Unser Zuhause ist unsere Heimat und unsere Heimat soll ein Ort der Ruhe und Geborgenheit sein. Die Welt hält genügend Signalfarben für uns bereit, unser Zuhause trägt in Zukunft schlichte, einfache, ruhige Gewänder.